@Tasty Haus / Leutschenpark, Di 13.08.2022

Am 13.09. fand im Rahmen des Kunstdreieck Festivals der Quartierentwicklungsstammtisch No. 3 statt, dem Anlass entsprechend zum Thema „Kultur und Treffpunkte“. Der Event musste kurzfristig wegen einer Info-Veranstaltung zur Thurgauerstrasse West vom 08.09. auf den 13.08 verschoben werden. Er fand im Tasty Haus (Leutschenpark) statt.
Es fanden sich dennoch 12 Leute ein, vorwiegend im Quartier bereits jetzt Aktive aus dem Grubenacker, dem Wolkenwerk, dem Quartierverein, den Kirchen und der Wunderkammer. So konnte vorhandenes Wissen angezapft werden, was denn auch zu einem analytischen Problemverständnis allerseits und breite Erfahrungen im Hinblick auf die jetzige Situation führte.
Alle waren sich einig, dass es für ein lebendiges Quartier noch zu früh sei, da die neuen Bewohner:innen erst einzögen und dieser Prozess erst in fünf Jahren wird abgeschlossen sein. Bis anhin sei Leutschenbach der „Hinterhof“ Seebachs gewesen, mit Kleingewerbe und Zwischennutzungen. Das zeigt sich u.a. daran, dass die Alteingesessenen im Grubenacker noch immer nach Alt-Seebach orientiert sind, die neu Zugezogenen (10 Jahre) jedoch bereits nach Leutschenbach, obwohl dieses sich noch am entwickeln ist. Das Beispiel Neu Oerlikon wurde angeführt, das am Anfang ziemlich tot war und nun einen Weihnachtsmarkt hat, den kleinen Pavillon im Oerlikerpark (der wiederholt von verschiedenen Gruppen wegen fehlendem Ausbau genutzt und wieder aufgegeben worden ist, Anmerkung v.t.), einen belebten Max Bill Platz und den Frischen Max neben dem Bahnhof. Der Bahnhof als spezielle Lage wurde als Beispiel ausgeschlossen. Am Anfang waren die Geschäfte im Center Eleven leer, die Geschäfte waren bereit vor der Bewohnerschaft da. Auch Wallisellen verfüge über einen belebten Platz.
Leutschenbach sei ein Pflänzli, das man hegen müsse, denn hunderte von Leuten werden noch hierher ziehen. Ein Problem wurde von verschiedener Seite angeführt: Die Neuzuzüger:innen ins ehemalige Arbeiterquartier seien vielfach Expats und andere Leute, die sich nicht fürs Quartier interessierten. „Sie kommen um zu wohnen und zu arbeiten, nicht um Leute kennen zu lernen“. Um eine wirkliche Durchmischung zwischen den Bewohner:innen zu erreichen, müsse viel Engagement investiert werden. Auch die Kirchen sind sich am überlegen, wie sie auf die neue Bewohnerschaft reagieren können. Von den 10‘000 Neuzuzüger:innen seien nicht alle evangelisch, doch überlegen sich die Kirchen, wie sie v.a. auch auf die Kinder zugehen können, z.B. mit Lagern oder interkultureller/interreligiöser Arbeit.
Doch wann sonst, wenn nicht jetzt? Viele kulturelle Angebote bewegen sich auf hohem Niveau und ein diverses Programm bestehen schon jetzt: Die Wunderkammer, das Schützenhaus, Hombis Salon, Bernhard Parz‘ Garagenkonzerte. Das kulturelle Angebot ist von hoher Qualität, gleichviel ob Oper, klassische Klavierliteratur, Elektronik oder das soziokulturelle Angebot des Schützenhauses. Auch das Tasty Haus bietet sich als Raum im Leutschenpark an. Die evangelische Kirche ist mit Chile Mobil bereits unterwegs und organisiert mittwochs eine Veranstaltung im Tasty Haus, interessiert sich aber künftig insbesondere fürs Schützenhaus. Doch das Schützenhaus kommt erst in zwei Jahren und die Wunderkammer ist bald weg. Es wird vorgeschlagen, dass die Wunderkammer ihren Container auf die Apfelbaumwiese im Grubenacker stellen soll. Doch bereits jetzt beschweren sich Bewohner:innen des Grubenackers über die Musik der Techno-Crew in den Containern der Raumbörse, das würde nicht besser werden. Auch in den verschiedenen „Inseln“ von Leutschenbach gäbe es Treffpunkte und Kultur – die Lesegruppe in den Metropolitans, das Siedlungsfest im Wolkenwerk, die Veranstaltungen im Grubenacker und die vielen Veranstaltungen im Mehr als Wohnen. Diese Inseln müssten verbunden werden, um ein Quartierleben zu schaffen.
Auch der Glattpark gehöre dazu und der Opfikerpark mit dem grossen Rasen und dem See sei sehr belebt, auch von Bewohner:innen von anliegenden Quartieren und von jungen Leuten. Das Problem seien die fehlenden öffentlichen Räume im Glattpark – die „Kirche im Glattpark“ hat sich darum in der Wunderkammer eingemietet und will da ein seelsorgerisches und Kinderprogramm anbieten. In der neuen ABZ-Siedlung im Glattpark gibt es zwar Gemeinschaftsräume, aber keine öffentlichen Räume. Der einzige, tageweise mietbare Raum ist jener in der ARA Glatt (Kinder-Erlebnisspielplatz). Es wurde an vieles gedacht bei der Planung – See, Park, Architektur – doch die inneren Werte seien vergessen gegangen. Die Kirche im Glattpark möchte dies angehen mit einem Ort, wo Kultur genossen und mit dem Schöpfer in Kontakt gekommen werden kann. Immerhin kommt nun das Schulhaus im Glattpark und Bildung hängt mit Kultur eng zusammen. Auch gibt es den Tschechischen Kulturraum CzechIN, der offen ist und mit dem man zusammenarbeiten kann. Auch die Kulinarik sollte nicht zu kurz kommen – Essen schafft Gemeinschaft und tut der Seele gut.
Zwar hat die Stadt Zürich mit Opfikon 2013 die Stadtteilwerkstatt durchgeführt, doch sämtliche Initiativen sind im Sand verlaufen. Der Quartierverein Glattpark führt nur eigene Veranstaltungen durch und ist anderen Initiativen gegenüber verschlossen; der Glattpark will sich selber etablieren, unabhängig von Zürich. Wäre das Fernsehstudio und die geplanten PWG-Wohnungen eine Möglichkeit, sich an den Opfikerpark anzuschliessen? Das SRF sollte sowieso ein „Fenster gegen aussen“ in Form einer Bar oder eines Veranstaltungsraumes machen.
Es wird angemerkt, dass es neben dem Glattpark noch weitere Gemeinden/Quartiere gibt, an die Leutschenbach angeschlossen werden müsste: Oerlikon, Auzelg, Alt-Seebach oder Rümlang gehören dazu. Es ist aber bereits schwierig für den Grubenacker, die Thurgauerstrasse zu überschreiten: Die Thurgauerstrasse ist ein Projekt vom Mond, wie gestrandete Kreuzfahrtschiffe liegen da die Bürogebäude aus den Achzigern leer vor Anker. Vielleicht müssten hier Zwischennutzungen realisiert werden, z.B. in den leeren Tiefgaragen.
Positiv wird angemerkt, dass ein Gesinnungswandel bei der Stadt vor sich geht. André Odermatt fokussiert nun nicht mehr auf Leuchttürme, sondern sieht auch die Räume dazwischen. Bei den Präsentationen vom Stammtisch No.2 (Planungsgrundlagen) wurde offensichtlich, dass die vielen Stadtsoziolog:innen sich bei der Testplanung auf Wohnen und Arbeiten beschränkt haben und Freiräume, Kultur und Treffpunkte, überhaupt der Sozialraum, völlig übergangen wurde/n. Dies soll nun nachgebessert werden, auch von der Stadt: In 1.5 Jahren beginnt Grün Stadt Zürich mit der Entwicklung des Freiraums in Leutschenbach. Leider sind die Pläne unter Verschluss und Grün Stadt Zürich möchte auch nicht an den Stammtisch zu den Freiräumen kommen. Was man weiss ist, dass der Baumtopf bleiben soll, was von den Anwesenden begrüsst wird (Spezialität von Leutschenbach, Bezug zum Schützenhaus). Die Meinung der Anwesenden ist, dass wir uns in die Planung einbringen sollten.
Beim kurzen Exkurs zu Wiedikon wurden von den Anwesenden die dortigen Qualitäten abgefragt. Marcos/Vesna zählten verschiedene Bars, Restaurants, (Kultur)Angebote und lebendige Plätze auf, die das Leben von Wiedikon generieren: Lochergut, Brupbacherplatz, Idaplatz, Schmiede, Gelateria di Berna, Siono, Elisaburg, Bar Sol etc. Doch wurde angemerkt, dass dort die kleinteilige Raumsituation und der Altbau / die gewachsene Struktur völlig andere Bedingungen schaffen als jene in Leutschenbach. Hier muss man die Stadt neu erfinden, in einem ganz anderen Massstab.
Beim Stichwort Identität, Spezifika und Kreativität lud Vesna zum Film „Tantort Seebach“ von Wahl-Seebacherin Marie-Anne Hafner (2018) an der Wand des Tasty Haus ein. Alle wunderten sich, dass sie den Film nicht kannten. Es wurde viel gelacht und neue, faszinierend „eigene“ Seiten von Seebach entdeckt.
Im zweiten Teil des Stammtisches kamen Zukunftsvisionen zum Zug. Den grössten Raum nahm die Diskussion rund um den Einbezug der Jugendlichen ein. Es wurden selbstorganisierte Räume für Jugendliche gefordert, die sie sich unkontrolliert aneignen könnten. Vesna musste auf viele Problembereiche aufmerksam machen – die Wunderkammer ist das einzige Projekt, das Kultur für Junge anbietet. Darum wurde sie vom Mehr als Wohnen 2017 angefragt, ob sie ihre auffälligen Jugendlichen „übernehmen“ könnte, ohne jegliche Unterstützung. Mittlerweile hat das GZ im Mehr als Wohnen einen Jugendtreff eingerichtet, den Leutschi-Treff, der mittwochnachmittags betreut ist. Dieser hat schlussendlich das Vordach und die Bank abmontiert, wo die jungen Menschen über das Wochenende Parties gefeiert haben, mit entsprechenden Lärmbelästigungen und Müll. In der Wunderkammer wurden Diebesgut und Drogen gelagert – das Quartier hat ein grosses Drogenproblem und fehlende Angebote, um diesem vorzubeugen. Es wurde vorgeschlagen, dass die Brücke am Katzenbach ein unbeaufsichtigter Ort für junge Menschen werden könnte. Das Lärmproblem im Grubenacker sowie Müll und Drogen wurden dem entgegnet. Auch und insbesondere Leutschenbach wurden für ein solches Vorhaben als ungeeignet eingeschätzt. Auch wurde angemerkt, dass es dafür öffentliche Unterstützung bräuchte, die entsprechende Privatinitiativen unterstützen kann. Man einigte sich darauf, dass Jugendförderung ein wichtiges Anliegen sei und Privatinitiativen, von der öffentlichen Hand unterstützt, entsprechende Angebote aufbauen sollten.
In der verbliebenen kurzen Zeit wurden künftige Projekte angedacht. Als grosse Lücke wurde ein Raum für H.R. Giger angeführt; dieser müsste jedoch wegen der internationalen Bekanntheit einigermassen gross sein (Busdepot?) Ein Markt wurde wegen der zu grossen Konkurrenz von Seiten des bekannten Oerliker Marktes etwas in Zweifel gezogen. Auf grosses Echo stiess hingegen die Intitiative von Päde aus dem Wolkenwerk, der nächstes Jahr ein Leutschenparkfest in Form einer Kilbi veranstalten will, möglichst familienfreundlich und gemeinsam mit dem Gewerbe, jedoch ohne Musik. Es wurde angeboten, dass das Kunstdreieck eine Bühne bespielen soll. Auch sonst wollen sich die am Tisch versammelten Organisationen am Fest beteiligen.
Grundsätzlich wünschen sich die Organisationen mehr Einbezug bei der Planung von Leutschenbach – z.B. bei der Freiraumplanung von Grün Stadt Zürich – ausserdem mehr Förderung von Privatinitiative. Es sollen insbesondere vom Quartier Strukturen aufgebaut werden, nicht „von oben“ verordnet.